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Steuerstrafrecht: Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofs zur Bewertung zeitgleich abgegebener Steuererklärungen

Der BGH hat mit Entscheidung vom 22.01.2018 (Az. 1 StR 535/17) seine Rechtsprechung zur Annahme von Tateinheit bei zeitgleich abgegebenen Steuererklärungen aufgegeben. Dies hat Auswirkungen sowohl auf Strafzumessung und Verjährung in Steuerstrafverfahren als auch auf eine etwaige Selbstanzeige.

Bislang machte der Unternehmer, der zeitgleich Einkommens-/ Körperschafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuererklärungen für einen bestimmten Veranlagungszeitraum abgibt und darin unrichtige Angaben macht – etwa weil er durch Abdeckrechnungen verschleierte Bestechungsgelder zu Unrecht als Betriebsausgaben geltend macht – sich wegen tateinheitlicher Einkommens-/Körperschafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuerhinterziehungen strafbar. Entscheidend für die Annahme von Tateinheit im Sinne des § 52 StGB war nach Ansicht des BGH, dass die Erklärungen im äußeren Vorgang zusammenfallen und auf übereinstimmenden unrichtigen Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen beruhen mussten.

Diese Rechtsprechung hat der BGH aufgegeben. Er geht nunmehr davon aus, dass die Abgabe der einzelnen Steuererklärungen selbständige Taten im Sinne des § 53 StGB sind, der Unternehmer sich mithin wegen tatmehrheitlicher Einkommens-/Körperschafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuerhinterziehungen strafbar gemacht hat.

Offensichtlich sind die Auswirkungen dieser Rechtsprechungsänderung auf die Strafzumessung: Die Anwendung des § 52 StGB (Tateinheit) im Rahmen der Strafzumessung ist in der Regel günstiger für den Beschuldigten als die Anwendung des § 53 StGB (Tatmehrheit).

Die Rechtsprechungsänderung ist insgesamt jedoch keineswegs nachteilig für Steuerhinterzieher:

Die Annahme der tateinheitlichen Begehung der Steuerhinterziehungen kann dazu führen, dass im Einzelfall ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung wegen großen Ausmaßes im Sinne des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO angenommen werden muss, auch wenn die Beträge innerhalb der einzelnen Steuerarten die maßgebliche Grenze von 50.000 € nicht überschreiten. Dies hat den Hintergrund, dass die Annahme von Tateinheit im Rahmen des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO zur Addition der Hinterziehungsbeträge aus den verschiedenen Steuerarten führt. Bei Tatmehrheit dagegen werden die Hinterziehungsbeträge nicht addiert, im Rahmen des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO kommt es also ausschließlich auf die betroffene Steuerart an.

Die Einordnung als besonders schwerer Fall hat eine Strafrahmenverschiebung zur Folge: Bei einer einfachen Steuerhinterziehung sieht § 370 Abs. 1 AO Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren vor; bei Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall sieht § 370 Abs. 3 AO Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren vor.

Darüber hinaus sind die weiteren Auswirkungen zu berücksichtigen: Die Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall verjährt binnen 10 Jahren, die einfache Steuerhinterziehung binnen 5 Jahren.

Zuletzt gilt Entsprechendes – Addition der Hinterziehungsbeträge bei Tateinheit, keine Addition bei Tatmehrheit – auch bei Berechnung des Sperrgrundes der Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO.