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Strafrecht: Gesetzesänderungen zur Vermögensabschöpfung

Seit dem 01.07.2017 gilt das neue Recht zur Vermögensabschöpfung. Nachdem wir bereits erste praktische Erfahrungen mit den Neuregelungen sammeln konnten, möchten wir Sie auf die Besonderheiten sowohl für Unternehmen als auch für Beschuldigte in Wirtschaftsstrafverfahren hinweisen.

Eine der wesentlichen Neuregelungen zur Vermögensabschöpfung besteht zunächst in einer begrifflichen Änderung. Während nach dem alten Recht zwischen Einziehung und Verfall unterschieden wurde, heißt die strafrechtliche Vermögensabschöpfung nunmehr einheitlich „Einziehung des Tatertrages“.

Die Einziehung des Tatertrages zielt in erster Linie darauf ab, dem Täter oder Teilnehmer die Tatbeute und den Tatlohn zu entziehen. Nach der Grundregelung des § 73 StGB ordnet das Gericht die Einziehung dessen an, was der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie erlangt hat. Kann der ursprüngliche Tatertrag wegen seiner Beschaffenheit oder aus anderen Gründen nicht eingezogen werden, wird die Einziehung des Wertes des Tatertrages angeordnet. So wird zum Beispiel die Diebesbeute, ein betrügerisch erlangter Gegenstand oder der Wert dieser Gegenstände eingezogen.

Die wichtigste inhaltliche Neuregelung besteht darin, dass Ansprüche eines Verletzten der Einziehung des Tatertrages nicht mehr entgegenstehen. Nach alter Gesetzeslage war die Vermögensabschöpfung nicht möglich, wenn einem Verletzten Ansprüche aus der Tat entstanden sind. Nunmehr ist die Einziehung des Tatertrages hiervon unabhängig. Dies hat zur Folge, dass Einziehungsentscheidungen nunmehr häufiger bzw. nahezu immer Gegenstand der Strafverfahren sein werden. Insbesondere bei der Untreue als typischer Wirtschaftsstraftat waren früher Einziehungsentscheidungen nicht möglich, nunmehr sind sie zwingend.

Für die Individualverteidigung bedeutet dies, dass bereits das Strafverfahren größere finanzielle Auswirkungen für den Beschuldigten haben wird. Im Falle der Verurteilung kann alles eingezogen werden, was der Täter durch oder für eine Straftat erlangt hat. Es wird zukünftig für den Beschuldigten nicht mehr darauf ankommen, ob der Geschädigte (Schadensersatz-) Ansprüche zivilrechtlich geltend macht oder nicht. Macht der Geschädigte Ansprüche geltend, bleibt das eingezogene Vermögen befriedigt. Macht der Geschädigte keine Ansprüche geltend, bleibt das eingezogene Vermögen beim Staat. Gewinne aus Straftaten sollen unabhängig vom Willen des Geschädigten nicht beim Täter verbleiben.

Das Gericht kann von der Einziehung nur absehen, wenn die Ansprüche des Verletzten erloschen sind. Gerade vor diesem Hintergrund macht es zukünftig aus Sicht des Individualverteidigers noch mehr Sinn, bei einer vom Mandanten eingeräumten Straftat frühzeitig auf Geschädigte zuzugehen und mit diesen eine einvernehmliche Lösung zum Ausgleich der Ansprüche zu finden.

Mit dem Anstieg der Zahl der Einziehungsentscheidungen werden aber auch Unternehmen als sogenannte Einziehungsbeteiligte häufiger an Strafverfahren beteiligt werden. Die Einziehung von Vermögensvorteilen ist auch bei Dritten möglich, die weder Täter noch Teilnehmer der Straftat waren, aber durch die Tat einen Vermögensvorteil erlangt haben. Im Bereich der Wirtschaftskriminalität erfasst die Dritteinziehung nunmehr beispielsweise Fälle von betrügerischen Vertragsschlüssen, in denen der Täter das Opfer durch Täuschung zu einem Vertragsschluss mit dem Unternehmen veranlasst. Auch hier wird der Vermögensvorteil, den das Unternehmen durch die Tat erlangt, eingezogen.

Ergänzend trifft das neue Gesetz Regelungen zur Bestimmung des einzuziehenden Betrages und insbesondere dazu, durch welche Aufwendungen der Einziehungsbetroffene die Höhe des einzuziehenden Betrages reduzieren kann. Hierzu gab es bislang keine gesetzliche Regelung, sondern nur umfangreiche und sich teilweise widersprechende Rechtsprechung. Die Neuregelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers sinnvolle Entscheidungen auch in den Fällen ermöglichen, in denen die Höhe des einzuziehenden Betrages bislang umstritten war. Dies betrifft beispielsweise Bestechungshandlungen, strafrechtlich relevante Außenwirtschaftsrechtsverstöße oder Insiderstraftaten. Die Bestimmung des Vermögensvorteils sowie der zu Gunsten des Einziehungsbetroffenen zu berücksichtigenden Aufwendungen kann sich dabei im Einzelfall kompliziert gestalten.